In „Django Unchained“ (2012) brach Quentin Tarantino einmal mehr mit den Regeln des Films. Es ist nicht nur die Wucht der Brutalität die den Film zu etwas besonderem Macht. Warum Quentin Tarantino ein meisterhafter Geschichtsverdreher ist.
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Django der Zweite
In „Django“ 1966 rettet der Weiße Cowboy Django die schöne Maria aus der Gewalt einer mexikanischen Räuberbande und später aus der eines zwielichtigen Sheriffs. Django ist sich dabei für keinen coolen Spruch zu schade und ein fast schon klischehaft-kitschiger einsamer Held des Wilden Westens.

In „Django Unchained“ (2012) wird der Schwarze Sklave Django (Jamie Foxx) durch den deutschen Kopfgeldjäger-Zahnarzt Dr. King Schultz (Christoph Waltz) vom Joch seiner Sklavenhalter befreit. Er reift unter der Lehre von Schultz zu einem meisterhaften Scharfschützen und Revolverhelden. Er rächt sich an seinen ehemaligen Folterern, den Brittle-Brüdern, und erschießt sie alle zugleich, da der Staat Texas „Tod oder lebendig“ nach ihnen fahndet. Django tritt bald aus dem Schatten seines Mentors hervor und nimmt mit dessen Hilfe sein größtes Ziel ins Visier: Die Befreiung seiner geliebten Frau Broomhilda (Kerry Washington) aus den Fängen des sadistischen Plantagenbesitzers Calvin Candie (Leonardo DiCaprio).
Bruch mit Hollywoodstandards

Tarantino bricht in „Django Unchained“ mit mehreren etablierten Hollywoodstandards, denn er löst die klassische Rollenverteilung auf: Das buchstäbliche „Schwarz und Weiß“-Paradigma wird gebrochen. Django ist kein resignierter Mann, kein kaputtes Opfer der Skaverei. Seine Liebe zu seiner gefangenen Frau Broomhilda ist, was Django antreibt. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden ist gleichzeitg das edle Motiv, das die Wahrnehmung Djangos durch den Zuschauer verändert. So wird er nicht zum Mörder, sondern zum Helden. Er wird zum Ritter, der seine Prinzessin, seine Frau, befreien will. Bewusst werden Parallelenlelen zur deutschen „Siegfried-Sage“ (Nibelungen-Sage) aufgezeigt: Siegfried ging durch das Höllenfeuer um seine Geliebte zu Retten.
Django wagt sich unter sadistische Sklavenhalter um seine Frau zu befreien. Er bricht mit seiner zugeteilten Rolle und lässt den Sklaven Django zum Jäger der Weißen und Rächer ihrer Gräueltaten werden. Es ist ein Bruch mit dem Klischee Western-Helden. Dem weißen Cowboy, der als einsamer Wolf im Saloon zu Duellen herausgefordert wird und die Herzen aller Frauen gewinnt. Es hat Struktur, dass es im Western bis dato weder einen Schwarzen als Held, noch ein afroamerikanisches Liebespaar gegeben hat, ist es doch ein Genre, dass meist in den ehemaligen Südstaaten der USA spielt. Die einzige Ausnahme bildet hier „Posse – Die Rache des Jesse Lee“.
Sklave mit Stockholm-Syndrom

Als Gegenentwurf zu Django, der „unchained“ also befreit wurde, steht im Film Calvin Candies Butler-Sklave Stephen (Samuel L. Jackson). Stephen sieht, obwohl er selbst Schwarz ist, alle Schwarzen als minderwertig und unwürdig an. Er ist es, der sich vehement wehrt, als Django im Gästehaus übernachten soll und als Broomhilda, die zur Strafe in einem Brunnen eingeschlossen wurde, befreit werden soll. Er ist es auch, der Django nach seiner Gefangenschaft nicht wie die Weißen einfach verstümmeln und töten lassen will. Er will ihn Leiden und eines langsamen, qualvollen Todes als Sklave im Steinbruch sterben sehen. Er ist der Strippenzieher der systematischen Unterdrückung auf der „Candieland“-Plantage. Stephen symbolisiert die ultimative Form der Unterdrückung: Ein schwarzen-hassender Sklave, eine makabere Form des Stockholm-Syndroms.
Dynamit sprengt die Unterdrückung

Zum Ende des Films lässt Tarantino den heldenhaften Django das Anwesen Candies mit Dynamit sprengen, während Stephen darin liegt. Die Sprengung verdeutlicht das symbolische Ende der Weißen Unterdrückung und der Schwarzen Opferhaltung. Triumphal lächelt der Held Django, führt noch einige Tricks mit seinem Pferd vor und reitet mit Broomhilda in die Nacht hinein. Es hätte das Ende eines klischeehaft-kitschigen Westerns seien können, wäre Quentin Tarantino nicht der Meister der Geschichtsverdrehung
Literatur: Robert McParland: If Django and Lincoln could talk: James Baldwin goes to the movies. In: David Garret Izzo (Hg.): Movies in the age of Obama. The era of post racial and neo-racist cinema. London 2015.
Rodney M.D. Fierce: The Exeptional N*gger: Redefining African-American Identity in Django Unchained. In: David Garret Izzo (Hg.): Movies in the age of Obama. The era of post racial and neo-racist cinema. London 2015.
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