Vergangenen Dienstag, Cleveland, Ohio: Als eine Gruppe von Demonstranten der „Black Lives Matter“-Bewegung“ einen 14- jährigen Jungen vor dem Zugriff der Polizei beschützen will, reagieren die Polizisten mit Pfefferspray. Die Reaktion der Demonstranten: Sie sangen den Refrain von Kendrick Lamars Single „Alright“.
Dies ist der zweite Teil einer Serie. Den ersten Teil findest du hier.

Es sind Momente wie dieser, die an das „Civil Rights Movement“ rund um Martin Luther King Jr. erinnern. Doch heute steht der Musiker Kendrick Lamar im Mittelpunkt des Geschehens
Vergleich mit einer Friedensikone
Nachdem der MTV-Journalist Rob Markman Kendrick Lamar in einem Interview im März dieses Jahres fragte, ob Lamar möglicherweise der Martin Luther King oder Nelson Mandela „dieser Generation“ werden könne, räumte dieser bescheiden ein: „It takes years and it takes worlds to do the work that they’ve done. [Mandela und Martin Luther King Jr.]“ Gleichzeitig gab er zu:“But for the generation on the time being: I hold my self responsibility to that […] They [the kids] are coming to me every day saying: My music saved their lifes […] I can’t run from that. Whether I like it or not.“
Es mag vermessen sein, sich als Künstler mit einem Friedens-Nobelpreisgewinner, ja einer der Friedensikonen schlechthin vergleichen lassen zu müssen. Trotzdem sind Parallelen vorhanden, denn tatsächlich finden sich in den Texten Lamars viele Ansichten, die auch Martin Luther King zu seiner Zeit vermittelte.
In „Section .80“ (2011), seinem Debüt-Album, hatte sich Lamar mit Martin Luther King Jr. und Malcolm X befasst. Es heißt im Song „HiiiPower“:
„Visions of Martin Luther staring at me.
Malcolm X put a hex on my future someone catch me.“
Lamars Vater war Mitglied einer „Black Power“-Gruppe in Chicago. Vor Lamars Geburt zog seine Familie nach Compton, um sich dem Einfluss der Gruppe zu entziehen. Kendrick Lamars eigene Jugend wurde indirekt durch das Wirken von Malcolm X (hex = dt. Fluch) beeinflusst, der die Entwicklung der „Black Power“-Bewegung im Norden der USA prägte.

Martin Luther King Jr: Aus der Kirche auf die Straße
Um die Vergleiche zwischen Lamar und Martin Luther King nachvollziehen zu können, muss man sie mit Kings Ansichten vergleichen: Martin Luther King Jr. hatte eine gut behütete Jugend und wuchs in einer mittelständischen Pfarrersfamilie in Georgia auf. Er lebte in den Südstaaten, die durch die sog. Jim Crow-Gesetze noch immer die Trennung von Schwarzen und Weißen, die „Segrogation“ beibehielten. Nach dem euphemistischen Motto „Seperate, but equal“, getrennt aber gleich, wurden die Schwarzen US-Bürger von den Weißen getrennt. Martin Luther King wurde zunächst Pfarrer, an der Ebenezer-Baptist Church in Atlanta, Georgia und ging in die Nordstaaten um in Philosophie zu promovieren.
Als 1955 in Montgomery, Alabama die Afro-Amerikanerin Rosa Parks sich im Bus weigerte, ihren Sitzplatz einer weißen Frau zu überlassen und daraufhin aus dem Bus entfernt worden war, entstand der berühmte Montgomery-Busstreik. King nahm eine führende Rolle ein. Es war der Auftakt für eine Serie von direkten, gewaltfreien Protestaktionen (Boykotte, Demonstrationen, Märsche). Martin Luther King Jr., war dabei von Mahatma Gandhi und natürlich seinem starken christlichen Glauben inspiriert worden. Während seiner berühmten „I have a dream“-Rede 1963 vor dem Lincoln Monument in Washington D.C., betonte King:
“[…] we must rise to the majestic heights of meeting physical force with soul force.“
Ebenso betonte er die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Schwarzen und Weißen:
„The marvelous new militancy […] must not lead us to a distrust of all white […] our white brothers […] have come to realize that their destiny is tied up with our destiny.“
King hatte durch sein Wirken einen erheblichen Anteil an der Aufhebung der „Segrogation“ in den Südstaaten der USA durch den „Civil Rights Act“ von 1964. King fiel wurde am 4.April 1968 einem Anschlag zum Opfer.

„Fuck your Ethnicity“
Auch Kendrick Lamar hatte sich schon 2011 mit dem Song „Fuck your Ethnicity“ (zu Deutsch: Scheiß auf deine ethnische Herkunft) klar zum Thema Rassismus positioniert. In seinem neusten Album „To Pimp A Butterfly“ hatte er in „The Blacker the Berry“, die Identitätskrise der Afroamerikaner und die Unterdrückung durch das (weiße) Establishment angeprangert (siehe Teil Eins der Serie).
Doch auch Lamar hebt in seinem neuesten Werk die positiven Kräfte hervor. So geht er in dem von den Demonstranten in Cleveland besungenem „Alright“ auf eine bessere Zukunft ein, trotz der harten Zeiten:
„ Nazareth, I’m fucked up
Homie you fucked up
But if God got us
Then we gon‘ be alright“
Durch das eingeworfene „Nazareth“ und den Bezug zug Gott wird deutlich, dass Lamar genau wie King tief im christlichen Glauben verankert ist. Er adressiert Jesus von Nazareth, also Jesus als wahren Menschen.
Ich bin König
Im Song „King Kunta“ nimmt Lamar Bezug auf Kunta Kinte, den Protagonisten der Serie „Roots: The Saga of an American Family“. Kunta Kinte ist ein Schwarzer Sklave. Durch die Bezeichnung von Kunta als „King“, also König entsteht ein Oxymoron, ein Charakter der zwei Gegensätze in sich vereint (Der Sklave als König). Was Kendrick Lamar damit sagen will: Wir sind König, egal wie ihr uns nennt.

Er geht noch weiter: In der Albumversion des Songs „i“, der von Selbstvertrauen und Selbstliebe handelt, geht Lamar nach Ende des eigentlichen Songs einen Acapella-Rap über und bringt sogar eine Alternative zum diskriminierenden „N-Word“ hervor:
N-E-G-U-S definition: royalty; King royalty – wait listen
N-E-G-U-S description: Black emperor, King, ruler, now let me finish
Es ist die ultimative Umkehr eines Schimpfwortes in „negus“ einen Königstitel, der im Plural homophon zu „niggas“ ist. Lamar schließt das Acapella mit den Worten:
Kendrick Lamar, by far, the realest negus alive .
Das alles zeigt: Kendrick Lamar ist mehr als nur ein Rapper. Er ist sogar mehr als nur ein Künstler. Seine Texte besitzen eine ungemeine Kraft und Tiefe, deren Interpretation den Rahmen eines Blogposts sprengen würden. Oder wie Kendrick Lamar es auf dem letzten Track seines Albums ausdrückt:
„I freed you from being a slave in your mind you’re very welcome.“
Wie sind eure Gedanken zu Kendrick Lamar und Martin Luther King Jr. ? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!
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Literatur und Quellen:
Literatur:
Clayborne Carson (Hg.): A Guide to Research on Martin Luther King Jr., and the Modern Black Freedom Struggle. Occaisional Publications in Bibliography Series Number 1 Stanford University Libraries, Stanford 1989.
Jürg Martin Meili: Kunst als Brücke zwischen den Kulturen: Afro-amerikanische Musik im Licht der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Bielefeld 2011.
Gerd Presler: Martin Luther King. Reinbek bei Hamburg 1984.
Oxford Dictionaries. Oxford University Press. http://www.oxforddictionaries.com/de/definition/englisch/negus (Zugriff erfolgt July 27, 2015).
Quellen:
http://kingencyclopedia.stanford.edu/kingweb/publications/speeches/address_at_march_on_washington.pdf (Zugriff erfolgt July 27,2015)
Ein Gedanke zu “Kendrick Lamar: Der neue Martin Luther King Jr. ? Teil 2”